Kommunikationsfachleute müssen heutzutage verstehen, dass sie sich im Zeitalter des Content Shocks befinden. Denn die Tatsache, dass jedes Unternehmen zu einem Medienunternehmen werden kann, hat zu einer unaufhaltsamen Zunahme an produzierten und distribuierten Inhalten geführt.
Ausgelöst wurde diese Entwicklung durch digitale Produktions- und Distributionsmöglichkeiten, welche zu Kosteneinsparungen und Effizienzgewinnen geführt haben. Demgegenüber hat selbstredend auch der Konsum von Informationen von Digitalisierung und Innovation profitiert. Jedoch nicht in gleichem Masse. Dies hat zur Folge, dass immer mehr Inhalte um eine beschränkte Aufmerksamkeit kämpfen. Warum dies so ist, zeigt folgende Graphik.

Direkte Auswirkungen dieser Entwicklung sind heute statistisch belegbar. So nimmt beispielsweise die Anzahl publizierter WordPress-Artikel konstant zu, es werden aber wieder weniger Artikel gelesen. Oder immer mehr publizierte Beiträge auf Facebook erhalten immer weniger Rückmeldungen. Beides deutliche Anzeichen, dass es früher einfacher war, Gehör bei der Zielgruppe zu finden. Und eines ist klar: Noch mehr Inhalte zu produzieren und diese über noch mehr Kanäle zu distribuieren ist nicht die Lösung für das Problem. Sondern verstärkt es. Um das Problem des Content Shocks zu lösen muss Kommunikation einerseits neu gedacht und andererseits anders angegangen werden. Aber was heisst das?
Kommunikation neu denken und anders angehen
Die Arbeit mit Inhalten ist dann erfolgsversprechend, wenn sie strategisch angegangen wird. Dementsprechend sind Überlegungen, welche die Content Strategie eines Unternehmens unterstützen, entscheidend. Grundsätzlich kann gemäss der Northwesten University zwischen drei unterschiedlichen Content Strategien unterschieden werden:
- Engagement Strategie
- Nurture Strategie
- Privaten virtuellen Communitys
Das Hauptziel einer Engagement Strategie ist es, den eigenen Einfluss insbesondere über Social Media Profile aufzubauen. Engagement Strategien werden von vielen Unternehmen genutzt. Von den drei genannten Content Strategien ist es jedoch die am wenigsten effektive und nachhaltigste. Unternehmen erstellen Inhalte – beispielsweise Blogbeiträge, Whitepaper oder Videos und vermarkten diese auf Facebook, Twitter oder anderen Social Media Plattformen. Immer mit dem Ziel, dass möglichst viele Personen die Inhalte auch tatsächlich sehen und damit interagieren. Gemessen wir der Erfolg dann meistens auch auf Basis der Rückmeldungen (Engagement), welche das Unternehmen auf die publizierten Beiträge erhält.
Das Problem dieser Strategie ist, dass sie eher kurzfristig gedacht ist. So existiert im Vergleich mit den weiteren Strategien weniger Wissen über die Kunden. Zwar sind vor allem über Social Media Plattformen einige Daten über die Nutzer abrufbar, dieses Bild ist aber äusserst unvollständig. Zusätzlich sind Aktivitäten meistens auch nicht sehr nachhaltig: Ein Beitrag wird publiziert, erhält ein paar Rückmeldungen, Ende der Geschichte. Die Aktivitäten sind also einerseits oft anonym und anderseits fällt es oft schwer, weitere Aktivitäten folgen zu lassen. Tolle Inhalte werden quasi weggeworfen. So betrachtet, sind diese Engagement Strategien mitschuldig am Zustand des Content Shocks.
Nurture Strategien versuchen eine längerfristige wechselseitige Beziehung zwischen Unternehmen und den kontaktieren Menschen aufzubauen. Die einfachste Möglichkeit, dies umzusetzen ist es, weitere Daten rund um die interaktiven Kunden zu sammeln. Sei dies über Kontaktformulare oder weitere Aktivitäten auf der Webseite. So lernen Unternehmen diese Menschen besser kennen und können zielgruppenorientiere Inhalte publizieren. Es entstehen weitergehende Interaktionen, auf welchen aufgebaut werden kann. So können Interessierte langfristig zu Kunden entwickelt werden. Und damit einher geht eine vertiefte Messbarkeit der Beziehung im Vergleich zu Engagement Strategien.
Ein Beispiel: Wenn ich mir überlege, ein Auto zu kaufen, möchte ich als Erstes sehen, welche Möglichkeiten ich habe. Beispielsweise indem in einem Whitepaper unterschiedliche Autos beschrieben werden. Danach möchte ich eine Checkliste erstellen, um zu sehen welche dieser Autos alle meine Anforderungen erfüllen. Als nächstes möchte ich ein Video sehen, welches meine wichtigsten Fragen rund um das favorisierte Auto beantwortet. Der Schlüssel ist, dass ich jeweils jene Inhalte finde, die für mich zum aktuellen Zeitpunkt relevant sind. Und das nicht das Unternehmen mir Inhalte ausspielt, welche interessant sein könnten. Dafür müssen Unternehmen, aber ihre potenziellen Kunden und deren Journeys verstehen. Gelingt das, gelange ich auf eine Zielseite wo ich meine Angaben hinterlegen kann, um eine Probefahrt zu vereinbaren.
Die am weitesten gehende Strategie ist der anschliessende Aufbau einer privaten virtuellen Community. Der Schlüssel dafür ist, dass Gemeinschaften Menschen mit ähnlicher Mission verbinden. Unternehmen können dieses Bedürfnis für den Aufbau einer Community gemeinsam mit den Kunden nutzen. Dies gelingt insbesondere dann, wenn nur auf dieser Community wertvolle Inhalte zu finden sind. Und man quasi gezwungen ist, sich mit einem Profil anzuschliessen. Darüber können Unternehmen mit den Mitgliedern der Community langfristige Beziehungen aufbauen.
Das CommTech-Zeitalter
Kommunikation war schon immer dann erfolgreich, wenn die richtigen Inhalte, zur richtigen Zeit, die richtigen Personen erreicht haben. Dies gilt heute immer noch. Ist jedoch komplexer geworden. Und es bedingt, dass Unternehmen wissen, mit wem sie kommunizieren. Dafür sorgen die drei vorgestellten Strategien. Eine erfolgreiche Umsetzung der Strategien setzt aber ein Verständnis vom Einsatz von Technologien in der Kommunikation voraus. Also Fragen im Spannungsfeld von Kommunikation und Technologie. Sprich CommTech.
Bei der Nutzung von CommTech empfiehlt es sich wie oben angetönt, die Kommunikationsaktivitäten mittels Customer Journey Konzepten zu orchestrieren. Dabei ist nicht entscheidend, welches Konzept angewendet wird, sondern dass ein Konzept angewendet wird und das konsequent alles darauf ausgerichtet wird. Also Ziele, Zielgruppen, Botschaften oder Kanalmix. Im Alltag hat sich beispielsweise das „See / Think / Do / Care“ Konzept erfolgreich behauptet. Weil es den Wissensstand der Nutzer sowie den Status im Kaufentscheidungsprozess ins Zentrum stellt.
In der See-Phase befinden sich Menschen, die an relevanten Themen interessiert sind, jedoch Marke oder Produkte eines Unternehmens noch nicht kennen. Deshalb spricht man in der SEE-Phase von der grössten relevanten Zielgruppe, die zu erreichen wäre.
In der nächsten Phase, der Think-Phase, beginnen die Menschen konkret darüber nachzudenken ein Produkt zu kaufen oder eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. Dadurch wird ein erstes Kaufinteresse signalisiert. In der anschliessenden DO-Phase befinden sich schliesslich alle Menschen, die eine konkrete Kaufabsicht haben.
In der CARE-Phase beschäftigen sich Unternehmen mit Menschen welche bereits einmal Produkte oder Dienstleistungen beim Unternehmen gekauft haben und teilweise sogar bereits sind, das Unternehmen oder die Produkte und Dienstleistungen weiterzuempfehlen. Hier geht es also um Kundenbindung und den Aufbau von Botschaftern.
Die Anwendung von Customer Journeys setzt ein vertieftes Verständnis über die Kunden voraus. Dabei hilft es möglichst viele Datenquelle miteinander zu kombinieren und zu nutzen. Und dabei die Datengrundlage durch viele Experimente – testen, testen, testen – weiter zu verbessern. Was alles wiederum ein grundsätzliches Verständnis von Technologien im Kommunikationsalltag voraussetzt.
Im Zentrum steht also die Notwendigkeit, Technologien in der Kommunikation zu nutzen. Gelingt dies Unternehmen, ist es möglich bessere Inhalte zu erstellen und die Distribution zu optimieren und zu automatisieren. Dies ist der vielversprechendste Ansatz, um den Kreislauf des Content Shocks zu durchbrechen.
Spannende Gedanken zu den Themen Content Shock und CommTech finden interessierte Leser bei der Kommunikationsagentur Farner. Diese Gedanken waren Auslöser und Inspiration für die Arbeit an diesem Beitrag.
Interessant! Meine Schlussfolgerung ist eher, dass nun wieder ein neues Zeitalter des persönlichen Kontakts, der persönlichen Netzwerkbildung kommt, Augenkontaktbasiert. Jeder ist sich sein Medium. Firmen mit mehr als einem Mitarbeiter werden es immer schwerer haben. Die Mittelklasse wird zerrieben zwischen den Giganten und den Individuen.
Spannender Gedanke – wobei sich das Thema Netzwerkbildung und die aufgezeigte Community Strategie nicht diametral widersprechen.
Da stimme ich zu, in dem Sinne, dass es kein superschneller Prozess sein dürfte, diese kommunikative Mittelstandsvernichtung, aber wer weiss… Hier noch eine Kraft die wirkt: https://www.google.com/amp/s/www.nytimes.com/2019/03/23/sunday-review/human-contact-luxury-screens.amp.html